Gesetz zu Cannabis als Medizin erst 2016 und mit neuen Schikanen?

Cannabis als Medizin - Bis auf weiteres für viele unerschwinglich
Cannabis als Medizin – Bis auf weiteres für viele unerschwinglich

Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler hat klammheimlich ihre Ankündigung für eine Kostenübernahme von Cannabis als Medizin ab dem Jahr 2016 revidiert. Anfang des Jahres hieß es noch „Das Gesetz solle noch dieses Jahr durch den Bundestag, damit es ab nächstem Jahr greife“.

Im Mai versah Mortler ihre Ankündigungen noch mit dem Attribut „zeitnah“: „Ich bin zuversichtlich, dass wir zeitnah eine entsprechende Reglung auf den Weg bringen werden.“

Im Juni kam mit einer Antwort der Drogenbeauftragten auf abgeordnetenwatch.de ein deutliche Relativierung dieser Ankündigung: „Eine solche Gesetzesinitiative wird derzeit im Ministerium vorbereitet, sie soll spätestens 2016 verabschiedet werden.“

Gegenüber der WELT erklärte sie im Juli: „die genaue Gesetzesformulierung im Detail noch diskutiert“ – Angaben zum Wann sind in diesem Artikel nicht zu finden.

Neue Schikanen?

Fakt ist: Bis heute gibt es keinen konkreten Gesetzesentwurf. Solange die Bundesdrogenbeauftragte und der Bundesgesundheitsminister ihrer Ankündigung keine konkreten Vorschläge folgen lassen, sind die wesentlichen Fragen weiterhin offen:

  • Wird es eine normale Kostenerstattung wie bei anderen Medikamenten geben oder über die obligatorische Einbindung des medizinischen Dienst der Krankenkassen der Schwarze Peter nur weitergegeben?
  • Wie soll die Versorgungssicherheit sichergestellt werden? Bisher müssen Patienten immer wieder wochenlang auf ihre Cannabisblüten warten.
    Werden die Zugangshürden normalisiert oder bleiben die enormen Hürden eines Antrages über §3 BtMG erhalten?
  • Kommen auf neue oder alte Patienten neue Schikanen zu? Entstehen für Ärzte neue Haftungsrisiken?

Immerhin scheinen neben den Medikamenten Dronabinol und Sativex auch Cannabisblüten Teil der Überlegungen zu sein. Welche Hürden bestehen bleiben und neuen Schikanen die Neuregelung mit sich bringen wird bleibt abwarten. Dr. Franjo Grotenhermen spekulierte schon in seinem Artikel „Das Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz: Warum die Bundesregierung endlich aufhören sollte, nur gerichtlich erzwungene Verbesserungen vorzunehmen“ schon im Februar über eine Weitergabe des „Schwarzen Peters“ an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Damit wäre die Politik fein raus und die Patienten müssten sich mit dem MDK herumstreiten. Angesichts der durch die Prohibition schlechten Studienlage bei Cannabis als Medizin und der weiterhin blockierten Forschung dürfte es schwer sein nach den konventionellen Regelungen des Gesundheitssystems einen Leistungsanspruch durchzusetzen.

Im Mai deute sie in einem Interview im Kontext der schlechten Studienlage eine weitere mögliche Schikane an:

Ich glaube, dass wir schon sehr bald, also noch im ersten Halbjahr 2015, zu Ergebnissen kommen werden. Wichtig ist mir, dass wir die Patienten, die einen Antrag auf Cannabis-Medikamente gestellt haben, jetzt auch mit einer Studie begleiten, um zu sehen, ob ihnen diese Arznei wirklich hilft.

Konkrete Anworten auf die Lieferprobleme gab die Drogenbeauftragte in diesem Interview nicht. Die naheliegendste Lösung eines Anbaus in Deutschland scheint nicht auf ihrer Agenda zu stehen.

Regierungsziel: Keine Anbau von Cannabis als Medizin in Deutschland

Als Ziele des Gesetzes nannte Grotenhermen in seinem Artikel:

1. Der Eigenanbau von Cannabis durch Patienten wird wirksam und lückenlos verhindert.
2. Das Gesetz wird um keinen Schritt mehr geändert, als unbedingt notwendig, um den Eigenanbau zu verhindern.
3. Es haben zukünftig nur solche Patienten einen Anspruch auf eine Kostenübernahme von Dronabinol, Sativex und Cannabisblüten, die im Falle einer gesetzgeberischen Untätigkeit möglicherweise einen Anspruch auf Eigenanbau gehabt hätten, weil sie sich die Cannabisblüten aus der Apotheke nicht leisten können.
4. Die steigende Zahl von Anträgen auf Ausnahmeerlaubnisse wird wieder reduziert, und die Antragsthematik auf die Krankenkassen bzw. die Sozialgerichte umgeleitet.
5. Den aktuellen Gerichtsverfahren zum Eigenanbau wird die Basis entzogen, so dass es keine Richterschelte durch das Bundesverwaltungsgericht gibt.
6. Die Bundesregierung nimmt in den Augen der Wählerschaft die Nöte der Patienten, die von Cannabisprodukten medizinisch profitieren, ernst.

Das gewaltige positive Medienecho das Mortler aufgrund ihrer Ankündigung im Februar erhielt zeigt ihren Erfolg bzgl. Punkt 6. Ihre Meinung zum Thema Eigenanbau zeigte sie mit deutlichen Worten:“Aus der Apotheke wohlgemerkt, nicht unkontrolliert von irgendeinem Acker. […] Und dass keiner seine Arznei, egal ob Cannabis oder andere Mittel, selber anbaut. Für mich steht Therapiesicherheit und Qualität ganz oben. Deshalb wird es bei dem Thema auch keinen Schnellschuss geben.“

Bedeutung des Eigenanbaus

Natürlich sollten mittelfristig Patienten Cannabis als Medizin so normal wie andere Medikamente aus der Apotheke erhalten können, aber davon sind wir heute noch weit entfernt. Der Anbau von Cannabis als Medizin durch Patienten oder nicht kommerzielle Dritte stellt eine unbürokratische Lösung da. Er löst nicht nur das Problem, dass Cannabis als Medizin zu teuer ist. Er stellt zudem auch die Versorgung sicher, was der Markt mit seinen erheblichen Lieferproblemen derzeit nicht leistet. Beim Anbau verschiedener Sorten können Patienten auch gezielt jene Sorten nutzen, die bei ihrer Indikation in ihrem Fall am Besten hilft.

Der Einwand gegen den Eigenanbau „Patienten müssen vor nicht qualitätsgeprüften Cannabisprodukten geschützt werden“ ist für Betroffene der blanke Hohn. Für einen kranken Menschen ist nicht standardisiertes Cannabis besser als kein Cannabis, wenn man es sich nicht leisten kann oder es nicht verfügbar ist. Die Konsequenz aus der Nichterlaubnis des Anbaus durch Patienten ist die strafrechtliche Verfolgung – laut dem Einwand zum Eigenschutz der Betroffenen.

Viele weitere Fragen bleiben offen

Neben der Versorgung, Kostenerstattung und dem Zugang zu Cannabis als Medizin gibt es weitere wichtige Probleme, welche die Politik bisher nicht einmal auf der Agenda hat:

  • Wird es eine Regelung im Führerscheinrecht wie bei anderen Medikamenten insbesondere Substitutionsmitteln geben?
  • Erhalten Patienten mit ihrer Medizin endlich Reisefreiheit im Schengen-Raum?
  • Wie soll die Wissenslücke aufgrund nicht bestehender ärztlicher Fortbildung ausgefüllt werden?
  • Wie sollen Jahrzehnte der verhinderten Forschung nachgeholt werden?