EuGH zu Legal Highs: Verbot über das Arzneimittelgesetz von Cannabis-Ersatz teilweise rechtswidrig

Nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist das Verbot von so genannten „Legal Highs“, also neue psychoaktive Substanzen (NPS), die nicht dem BtMG fallen, über das Arzneimittelgesetz teilweise rechtswidrig. Insbesondere in Deutschland wurde und wird das AMG gerne bei unregulierten Substanzen, seien es Pflanzendrogen oder synthetische Stoffe, genutzt um Händler und in der Praxis auch Konsumenten zu kriminalisieren. Eine Verfolgung von Konsumenten ist im AMG eigentlich nicht vorgesehen, aber es gab u.a. Hausdurchsuchungen bei Kunden von Großhändlern. Auch wenn die bestellten und gefundenen Mengen nicht für eine Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das AMG ausreichten, wurde fleißig Beifang betrieben und die Menschen dafür angezeigt. Mehr zum Urteil gibt es in diversen Zeitungsartikeln: Hanfverband, ZEIT, Deutsche Apotheker Zeitung, Pharmazeutische Zeitung und Legal Tribune Online.

Tibo Harrach, Pharmazeut, Sachverständiger in Prozessen zur Abgrenzung von Drogen & Arzneimittel und Sprecher der LAG Drogenpolitik der Grünen Berlin kommentierte das Urteil wie folgt:

Ein drogenpolitisch historischer Tag!

Die gesamte Legal High „Rechtsprechung“ in der Bundesrepublik bricht zusammen.
Bleibt zu hoffen, dass die vielen unschuldig Verurteilten jetzt entsprechend rehabilitiert werden.

Die Legal High Repression auf Basis der Arzneimittelgesetzes war eine fürchterliche Willkürveranstaltung deutscher Gesundheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Strafgerichte. Ich selber war Gutachter in ca. zehn solcher zum Teil spektakulärer Verfahren (z.B. Salvia divinorum, Ephedra, Koffein, Damiana) und von der Gegenseite für meine Rechtsauffassung (die jetzt auch vom EuGH vertreten wird) zum Teil aufs übelste diffamiert. Eine sinnvolle Regulierung von Legal Highs im Sinne von Jugendschutz und gesundheitlichem Verbraucherschutz wurde damit verhindert und der Handel nahezu vollständig in das Internet abgedrängt.

Wenn man eine EU Verordnung zu den sogen. neuen psychoaktiven Substanzen richtig macht, kann dies durchaus eine sinnvolle Sache sein. Dazu müsste allerdings genügend Mittel für die wissenschaftlich fundierten Risikobewertungen zur Verfügung gestellt werden. Eine solche Bewertung kann dann Grundlage für eine vernünftige Regulatorik sein, die in Richtung eines konstruktiven Zulassungsverfahrens zu entwickeln wäre. Vor allem muss man sich von dem Paradigma verabschieden, dass eine vermehrte Verbreitung (Beliebtheit) von bestimmten Substanzen automatisch ein ultimatives Gefährlichkeitsmerkmal sei.

Jetzt gilt es allerdings erst einmal darauf aufzupassen, dass die Bundesregierung und der Bundesrat uns nicht noch auf die Schnelle eine Stoffgruppenregelung reindrückt.

Siehe hierzu auch mein Jungle World Artikel aus dem Jahr 2012, der bei uns Grünen zu gewissen Verwerfungen geführt hat: http://jungle-world.com/artikel/2012/22/45536.html

Wenn wir hier nicht in der Drogenpolitik wären, könnte man sich allerdings fragen, wieso sich Europäische Kommission, Europaparlament, die nationalen Parlamente (in D. Bundesrat und Bundestag und die zuständigen Fachausschüsse) und nationalen und regionalen Regierungen in einem sehr aufwendigen Verfahren mit der viel differenzierteren EU Verordnung zur Regulierung neuer psychotroper Substanzen beschäftigt (Kritik hierzu siehe mein anhängender Jungle World Artikel aus diesem Jahr), um dann in Deutschland schnell noch ein primitives Stoffgruppenverbot hinzuklatschen. http://jungle-world.com/artikel/2014/18/49766.html