FAQ – Drogenpolitik in Deutschland / FAQ about drug policy in Germany (German Version)

Die europäische Koalition für eine gerechte und effektive Drogenpolitik (ENCOD) hat den DHV gebeten einige Fragen zum Thema Drogenpolitik in Deutschland zu beantworten. Hier sind unsere Antworten, die wir allerdings noch weiterentwickelt möchten und übersetzen werden. Ihr seid herzlich eingeladen Kritik, Verbesserungsvorschläge und (Teil-)Übersetzungen einzubringen, ich werde die dann erst hier einpflegen und danach an ENCOD schicken.

The European Coalition for Just and Effective Drug Policies (ENCOD) asked the German Hemp Association to anwser some question about drug policy in Germany. Here are our anwsers, but we will refine and translate them. You are welcome to criticise and give suggestions for improvement, I will add them to this blogpost and send it to ENCOD sometime.

See also: Englisch Version

01 What does the law say about consumption and possession of cannabis?
02 What does the law say about consumption and possession of other illegal drugs?

Was sagt das Gesetz zum Konsum und Besitz von Cannabis und anderen illegalen Drogen?

Der bloße Konsum von Cannabis und anderen regulierten Substanzen (Betäubungsmittel, Arzneimittel, Alkohol, Tabak und Substanzen mit einem unklaren rechtlichen Status) ist grundsätzlich legal. Die Teilnahme am Straßenverkehr, insbesondere mit einem Auto unter dem Einfluss von psychoaktiven Substanzen wird führerscheinrechtlich und ggf. auch strafrechtlich verfolgt. Der Nachweis eines zurückliegenden Konsum mit einem Test oder über eine Aussage gegenüber der Polizei kann zu Zweifeln an der Fahreignung führen. In jedem Fall kann es zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere bei Busfahrern u.ä. kommen, auch wenn der Konsum außerhalb der Arbeitszeit erfolgte.

Der Besitz sowie jeder sonstige Umgang (Erwerb, Einfuhr, Ausfuhr, Weitergabe, Handel etc.) von allen Substanzen aus den Anlagen 1 – 3 des Betäubungsmittelgesetz ohne eine entsprechende Erlaubnis ist illegal und wird bei normalen Mengen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Eine Erlaubnis wird in der Regel nur für wissenschaftliche Zwecke verteilt, zudem gibt es ca. 150 Personen, die Cannabis aus Apotheken erwerben und besitzen dürfen. Ausgenommen von der Erlaubnispflicht für einige Substanzen sind entsprechende Logistikdienstleister, Ärzte, Apotheker, Patienten mit einer entsprechenden Verschreibung sowie Landes- und Bundesbehörden.

Die Staatsanwaltschaft (§ 31a BtmG) von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Gerichte können unter den gleichen Bedingungen ein Verfahren einstellen.

Eine „geringe Menge“ ist im Gesetz nicht definiert, bei Cannabis sind dies in den meisten Bundesländern 6 Gramm, bei anderen Substanzen einige wenige Konsumeinheiten. Die Anwendung des § 31a BtMG ist von Bundesland zu Bundesland und Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft sehr unterschiedlich. Die Bundesländer haben hierzu jeweils eigene Rahmenrichtlinien erlassen.

03 Are there Cannabis Social Clubs active? If yes, how many approximately?

Gibt es aktive Cannabis Social Clubs?

Nein. Es gibt derzeit keinen genehmigten Anbau von Cannabis (außer Nutzhanf) in Deutschland. Einige wenige Menschen bauen Cannabis zu medizinischen Zwecken quasi legal an nachdem Gerichte einen „rechtfertigenden Notstand“ festgestellt haben. Es gibt unterschiedliche Überlegungen Cannabis Social Clubs zu gründen, entweder legal über eine Ausnahmegenehmigung für Patienten oder für Genußkonsumenten oder illegal als politische Protestaktion.

04 Are there user rooms for people who use opiates and other hard drugs?

Gibt es Konsumräume für Gebraucher von Opiaten und anderen „harten Drogen“?

Es gibt in mehreren Bundesländern Drogenkonsumräume, u.a. in Hamburg, Berlin und in NRW. Für den Betrieb eines Konsumraums ist eine Verordnung des Landes notwendig, eine solche Rechtsverordnung gibt es derzeit in Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. In allen anderen Bundesländern ist der Betrieb eines Konsumraums illegal.

Drug consumption rooms in Germany
http://www.aidshilfe.de/sites/default/files/DAH_akzept_DCR%20in%20Germany_2011.pdf

Drogenkonsumräume in Deutschland
http://www.akzept.org/pdf/aktuel_pdf/DKR07web.pdf‎

Viele Informationen auch auf Englisch
http://drogenkonsumraum.net/

05 What are the main political parties (that have candidates for the European Elections)?

Welches sind die wichtigsten Parteien (die Kandidaten für die EP Wahl haben)

Sozialdemokratische Partei Deutschlands     SPD
Christlich Demokratische Union Deutschlands CDU
Christlich-Soziale Union in Bayern     CSU
Bündnis 90/Die Grünen Grüne
Freie Demokratische Partei FDP
Die Linke LINKE
Piratenpartei Deutschland Piraten

Es gibt eine 3% Prozent Hürde. Der Piratenpartei Deutschlands und der Alternative für Deutschland (AfD) könnte ebenfalls ein Einzug gelingen.

06 What is the position of these parties on:
-harm reduction, health-based approach to drugs
-decriminalisation of cannabis and/or other drugs
-Cannabis Social Clubs?

Welche Positionen haben diese Parteien bei den Themen:
– Schadensminderung, gesundheitsbasierter Ansatz bei Drogen
– Entkriminalisierung von Cannabis und/oder andere Drogen
– Cannabis Social Clubs

Die drogenpolitischen Positionen verlaufen insbesondere auf Bundesebene klar entlang der Parteigrenzen.

Allgemein kann man sagen dass sich CDU, CSU, AfD und FDP gegen ein progressive Drogenpolitik stellen. Die CSU ist hier der rechte Rand, die Position der AfD existiert formal noch nicht und die FDP unterscheidet sich nur in Nuancen.
Die Grüne, LINKE und Piraten stehen für eine progressive Drogenpolitik und fordern zudem auch die Legalisierung und Regulierung von Drogen außer Cannabis.
Die Position der SPD ist unklar. Sie behauptet gegen eine Kriminalisierung und für Cannabis als Medizin zu sein, lehnt aber gleichzeitig Initivative von Grünen und LINKEN im Bundestag ohne Änderungsantrag ab.

07 What are the two most important threats to drug consumers on the political and legal front?
Welche sind die beiden wichtigsten Gefahren für Drogengebraucher an der politischen und rechtliche Front?

Neben der strafrechtlichen Verfolgung ist der Missbrauch des Führerscheinrechts ein großes Problem. Frank Tempel von der LINKEN fasst es mit der Aussage zusammen „Krieg gegen die Drogen“ wird willkürlich im Verkehrsrecht weitergeführt“.
Politisch hat leider keine der progressiven Parteien Grüne, LINKE und Piraten das Thema Drogenpolitik als Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit.

08 What is the most promising or positive development concerning drug policy?
Welches ist die vielversprechendste oder positivste Entwicklung in der Drogenpolitik?

Mit der Piratenpartei gibt es nun drei progressive Parteien, die Konkurrenz zwischen ihnen bringt das Thema voran.

Das spannendste Projekt ist eine Initiative der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg und ihrer Bezirkzsbürgermeisterin Monika Herrmann. Sie möchten einen Modellversuch zur legalen Abgabe von Cannabis beantragen. Die Grünen brauchen in der Bezirksversammlung nur die Zustimmung von LINKEN oder Piraten um eine Mehrheit zu erreichen.

Der Antrag “Coffeeshop am Görlitzer Park” DS/0807/IV wird derzeit im Parlament diskutiert und wird vermutlich Ende November beschlossen werden. Der Text lautet:

„Das Bezirksamt wird beauftragt, gemeinsam mit Expert*innen, Beratungsstellen und Anwohner*innen die nötigen Schritte einzuleiten, um durch eine  kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten in lizensierten Abgabestelle(n) am Görlitzer Park, den negativen Auswirkungen der Prohibition und des dadurch entstehenden Schwarzmarkts entgegen zu treten.

Dazu soll(en)

–        ein Runder Tisch/Fachtag gemeinsam mit Anwohner*innen und/oder Initiativen rund um den Görlitzer Park, ansässigen Suchthilfeträgern, Drogenexpert*innen, der Polizei und Fachpolitiker*innen einberufen werden
–        offene rechtliche Fragen geklärt werden, z.B. nach möglichen Betreiber*innen des Shops, Beschaffungsmöglichkeiten sowie der Antragstellung beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf die Erlaubnis der kontrollierten und lizensierten Abgabe von Cannabisprodukten
–        sichergestellt werden, dass die Eröffnung und Betreibung des Coffeeshops im öffentlichen Interesse liegt, bzw. dass die nötige wissenschaftliche Begleitung des Modellprojektes in Zusammenarbeit mit geeigneten Forschungsstellen erfolgt, sodass das Modellprojekt im wissenschaftlichen Interesse begründet ist. „