Fragen und Antworten zum Cannabis als Medizin-Gesetz

Am Donnerstag, den 19.01.20167 hat der Deutsche Bundestag eine kurzfristig geänderte Fassung des Cannabis als Medizin Gesetz in zweiter und dritter Lesung debattiert und einstimmig beschließen. Damit bekommt Deutschland eine der progressivsten Regelungen für Cannabis als Medizin weltweit, sobald der Bundesrat im Februar zustimmt hat (oder auch nicht, das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig) und das Gesetz formal voraussichtlich am 1.3.  in Kraft tritt.

Da ich immer wieder Fragen zu den Folgen des Gesetzes lese und beantworte und ich zudem ein fauler Mensch bin, hier einige meiner Antworten für alle. Weitere Fragen einfach als Kommentar posten.

Siehe auch: Synopse: Cannabis als Medizin-Gesetz mit den Beschlüssen des Ausschusses für Gesundheit

Die Debatte auf Youtube

Zu den Folgen für die Patienten siehe auch: Kassenärzte suchen statt Ausnahmegenehmigung beantragen!

  1. Das Instrument „Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Cannabis aus der Apotheke“ gibt bald nicht mehr. Die bestehenden Genehmigungen bleiben vorerst gültig und laufen nach Inkrafttreten nach 3 Monaten aus. Neue Anträge machen daher keinen Sinn. Siehe auch: FAQ des BfArM
  2. Die Krankenkassen dürfen eine Kostenübernahme nur in begründeten Ausnahmefällen verweigern. Das gilt für alle ausreichend schweren Diagnosen und für Cannabisblüten, Extrakte, damit auch für Sativex, für Dronabinol und Nabilon.
  3. Was eine „schwerwiegenden Erkrankung“ und damit Grundvoraussetzung für eine Kostenerstattung außerhalb einer ggf. vorhandenen Indikation ist, das ist noch unklar. In einem alten Entwurf wurde zudem noch „chronisch“ gefordert und auf die Chroniker-Richtlinie verwiesen. Diesen Status erhält man „relativ“ leicht bei einer „ordentlichen“ Erkrankung. Nachdem „chronisch“ weggefallen ist, kann es eigentlich nur noch offener gemeint sein.
  4. Verschreiben darf in Zukunft jeder Arzt auf BtM-Rezept. Für einen Kostenerstattung braucht es einen Kassenarzt.
  5. Eine Ausnahmegenehmigung auf den letzten Drücker vor dem Inkrafttreten des Gesetzes könnte von den Krankenkassen als Beleg anerkannt werden.
  6. Wenn die Kosten wirklich sehr großzügig erstattet werden ist aus dem Thema Eigenanbau erst mal viel Luft draußen. Die wichtigste Begründung für eine entsprechende Genehmigung ist erstmal vom Tisch. Es gibt zwar noch weitere juristische Argumente wie die Sortenauswahl, aber das muss erst einmal wieder eingeklagt werden.
  7. Zu welchen Preis das Cannabis in Zukunft verkauft wird, insbesondere an Menschen (noch) ohne Kostenerstattung, ist noch unklar. Hierzu sind einige Fragen offen und bisher kenne ich keine neuen Entscheidungen.
  8. Die Zustimmung am Donnerstag ist sicher.
  9. Auf der Website des Deutschen Bundestag fehlte vor der Abstimmung in der Tagesordnung noch beim TOP 4 noch jeweils eine Drucksache mit der „Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit“ sowie die im oben erwähnten Artikel beschrieben Änderungsanträge von CDU und SPD. Hier eine Synpose.
  10. Ein Video gibt es in der Bundestagsmediathek. Die Übertragung läuft im Parlamentsfernsehen live auf „Programm Kanal 1“. Am Samstag läuft die Wiederholung 15.00 bis ca. 04.15 Uhr 212. „Sitzung des Deutschen Bundestages – Aufzeichnung vom 19.01.2017 -“ Die Sendung wird nachträglich über die Mediathek abrufbar sein.

Spannende offene Fragen von Axel Junker:

Welcher Arzt verschreibt Cannabis oder Cannabisprodukte?
Wieviel Gramm kann er dauerhaft verschreiben ohne möglicherweise von Krankenkassen in Regress genommen zu werden? (Stichwort „Budgetierung, Praxisbesonderheit bzw. besondere Verordnungsbedarfe“)?
Wie kann man sich als Cannabis-Patient der Polizei gegenüber ausweisen nach eintretender Ungültigkeit der Genehmigungs-Urkunden (etwa Juli 2017)?
Wie wird die Führerscheinfrage für medizinische Cannabisnutzer geregelt? Wird sie einheitlich geregelt?
Was ist mit Patienten, die in ihrer Umgebung keinen aufgeschlossenen Arzt finden?
Welche Krankheiten sind abweichend von „schwerwiegenden Krankheiten“ noch mit Cannabis behandelbar?
Wie können Patienten gegen eventuell ablehnende Kostenübernahme-Bescheide ihrer Krankenkassen vorgehen?
Welcher Wissenspool steht dem MDK zur Verfügung, wenn dort sensible Entscheidungen getroffen werden sollen?

Fragen und Antworten zum Thema beim Gesundheitsministerium und beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

BMG-Fragenliste:

Was sind Cannabisarzneimittel?
Schon heute gibt es Ausnahmeerlaubnisse für den legalen Bezug von Cannabisblüten und -Extrakten zur medizinischen Anwendung. Was ändert sich mit der vorgesehenen Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften?
In welchen Fällen können Cannabisarzneimittel künftig von der Krankenkasse bezahlt werden?
In welchen Fällen kann eine Behandlung mit Cannabisarzneimitteln sinnvoll sein?
Wer entscheidet, welche Patienten eine Erstattung bekommen?
Was bedeutet „nicht-interventionelle Begleiterhebung“?
Dürfen Patientinnen und Patienten in ihrem Garten oder Gewächshaus selbst Cannabispflanzen anbauen?
Warum ist eine staatliche Kontrolle des Anbaus von Cannabis zu medizinischen Zwecken wichtig?
Warum nicht gleich eine Legalisierung, so wie viele das fordern?

BfArM-Fragenliste:

Welche Arzneimittel auf Cannabis-Basis sind derzeit in Deutschland verfügbar?
Was wird das Inkrafttreten des Änderungsgesetzes für die Inhaberinnen und Inhaber einer Ausnahmeerlaubnis bedeuten?
Wie viele Patientinnen und Patienten verfügen derzeit über eine solche Ausnahmeerlaubnis?
Was sollen Patientinnen und Patienten tun, wenn sie eine Therapie mit Medizinal-Cannabis erwägen?
Welche Folgen hat das Inkrafttreten des am 19.01.2017 beschlossenen Änderungsgesetzes für Apotheken mit einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG?
In welcher Form wird Medizinal-Cannabis nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes an Patientinnen und Patienten von Apotheken abgegeben?
Am 19.01.2017 wurde das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom Bundestag beschlossen. Das Gesetz befasst sich vor allem mit der besseren Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln auf Cannabis-Basis. Das Gesetz sieht die Einrichtung einer sogenannten Cannabisagentur vor. Warum muss eine sogenannte Cannabisagentur eingerichtet werden?
Wo wird die Cannabisagentur angesiedelt?
Welche Aufgaben hat die Cannabisagentur?
Das am 19.01.2017 vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens zum Anbau von Cannabis vor. Wie wird ein solches Ausschreibungsverfahren inhaltlich ausgestaltet sein?
Können sich jetzt schon Interessenten für das Ausschreibungsverfahren bewerben?
Wie wird die Qualität des in Deutschland gegebenenfalls in Zukunft angebauten Cannabis zur medizinischen Verwendung sichergestellt?