Michael Kleim: Offene Antwort an Frau Sabine Bätzing-Lichtenthäler

Michael Kleim, Mitglied im Schildower Kreis, Evangelischer Theologe, Menschenrechtsaktivist

Talstr. 30 07545 Gera Tel.: 0365/ 26843

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Gera, 14. April 2014

Offene Antwort an Frau Sabine Bätzing-Lichtenthäler

Ihr Gastbeitrag „Kein Grundrecht auf Kiffen“ in der „ZEIT“ vom 10.April 2014

Gar nicht witzig. Von roten Linien und roten Ampeln und von Menschen, die das nicht überleben…

Sehr geehrte Frau Bätzing- Lichtenthäler,

in der „Zeit“ haben Sie mit einem Gastbeitrag auf den Vorstoß deutscher Jura-Professoren reagiert, die eine grundsätzliche Überprüfung des Betäubungsmittelstrafrechts fordern.

Für Sie scheinen diese Rechtswissenschaftler eine rote Linie überschritten zu haben, da Sie umgehend mit roten Lampen reagieren. „Die Professoren argumentieren, dass das Ziel, den Konsum der Drogen zu verhindern, nicht erreicht werde. Dann schaffen wir doch bitte auch rote Fußgängerampeln ab.“

Mit einigen rhetorischen Tricks versuchen Sie, als originell und sprachlich gewandt zu erscheinen. Von all dem oberflächlichen Unfug, den sie in ihrem Text verzapft haben, möchte ich allein auf diese eine Ihrer Metapher von der roten Ampel eingehen.

Nach meinem Wissen wurde weltweit noch nie ein Mensch hingerichtet oder extralegal liquidiert, weil er eine rote Ampel ignoriert hat. Mir ist auch nicht bekannt, dass Fußgänger, die rote Ampeln ignorieren, in Umerziehungslager interniert oder mit drakonischen Haftstrafen bedroht wurden. Sie können sich gern etwas präziser darüber informieren, welche globalen Folgen das Drogenstrafrecht nach sich zieht.

Eine gravierende Gefährdung von Leben und Gesundheit der Rote-Ampel-Übertreter wurde selten nachgewiesen; – im Gegensatz zum Bereich von illegalisiertem Drogengebrauch. Die durch das Strafrecht geschaffenen Bedingungen des Schwarzmarktes produzieren potentielle Risiken, die künstlich und staatlich verantwortet die Gefahren für Drogengebraucher gravierend steigern.

Das Rote-Ampel-Ignoranz-Syndrom führt nicht zu einer systematischen Verletzung von Grund- und Menschenrechten. Es hat keinen Zusammenhang mit einer gesteigerten Korruption bei Polizei und Justiz, einer Zunahme von Gewalt und militarisierten Konflikten, der Stabilisierung organisierter Kriminalität.

Frau Sabine Bätzing-Lichtenthäler, als böse Satire in der Titanic hätte Ihr Beitrag eventuell durchgehen können. Ihr Versuch, die Initiative der Strafrechtsprofessoren lächerlich zu machen, fällt auf Sie selbst zurück.

Sie machen Sie sich über die Opfer des Drogenkrieges lustig. Und das ist gar nicht witzig. Es geht bei der Kritik an der Prohibition eben nicht vor allem darum, den Drogengebraucher das „Recht auf Rausch“ zu sichern. Es geht um eine Drogenpolitik, die auf den Prüfstand gehört, weil sie Menschenrechte und Demokratie gefährdet. Und das Thema ist nun wirklich zu ernst, um billige Witzchen zu machen. Als Mensch, der in der DDR aufgewachsen ist, bin ich an dieser Stelle etwas empfindlich.

Doch in Ihrer Metapher von der Roten Ampel steckt auch eine gewisse Ironie. Ampeln dienen dazu, den Verkehr zu regeln. Willkür und Chaos sollen gesteuert werden. Und genau dafür treten die besagten Strafrechtswissenschaftler ein. Sie plädieren dafür, den Umgang mit Drogen zu regulieren.

Eine Ampel allerdings, die permanent Rot leuchtet, verliert ihren Sinn. Da wird nichts geregelt, da wird nur stur blockiert. Deshalb ist es höchste Zeit, die Ampeln in der Drogenpolitik zielgerichtet und sinnvoll begründet auch auf Grün-Phasen umzustellen.

Es ist chic, sich trotz zunehmender und fundierter Kritik für die Beibehaltung der Prohibition auszusprechen. Falsch bleibt es trotzdem.

Michael Kleim, Gera